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Es ist wahrlich eine markante Stelle, an der sich die Dorflinde befindet: Eine Insellage neben der Kirche an der Stelle, an der die Mittelstraße in die Oberdorfstraße übergeht, und von der die Horststraße abzweigt. Rudolf Reinhardt beschreibt die Stelle so, sie sei zwar „nicht geografischer, so aber doch kommunikativer Mittelpunkt der Gemeinde. Um den Baum herum stand damals noch eine Bank. Man nannte den Platz auch „Scheffe-Stöhlche“ (Bürgermeisterstuhl). Den Bürgermeister nannte man ganz früher auch den „Scheffe“ und er rief sonntags nach dem Hochamt dort die wichtigen Bekanntmachungen aus“ (2019, S.243). Das sei so noch bis in die 1960er Jahre so gewesen, schreibt Bürger in der Niederzissener Chronik. Und er ergänzt noch, dass die Scheffen zur Zeit der Olbrücker Herrschaft „eine Art Verbindungsglied“ zwischen den Untertanen und der Olbrücker Administration“ gewesen seien (Bürger, S.149).
Die Linde selbst wurde im Jahre 1913 aus Anlass der 25-jährigen Regentschaft von Kaiser Wilhelm II. gepflanzt und stellt seitdem als „Kaiserlinde“ ein markantes Naturdenkmal im Ort dar.
Bevor der Verkehr und die Alltags-hektik die heutigen Ausmaße angenommen hatten, war die Bank um die Dorflinde tatsächlich so etwas wie ein kommunikativer Mittelpunkt. „Generationen haben sich auf einer Bank, die unter der Linde bzw. um die Linde herum gebaut war, meist am Feierabend, aber auch tagsüber, dort getroffen um Neuigkeiten auszutauschen oder einfach nur um ein Schwätzchen zu halten“, schreibt Willi Fuhrmann (2015) in einem Leserbrief aus gegebenem Anlass.
Und der Anlass für den Leserbrief? Wer heute die Dorflinde (ohne Bank) und mit ramponierter Umfassung sieht, erkennt sofort den Konflikt zwischen Idylle und Verkehrsaufkommen. Mittlerweile hat sich diese Stelle zu einem neuralgischen Punkt entwickelt, an dem sich mancher Großraum-LKW festfährt. Im Gemeinderat war sogar überlegt worden, den Baum zu fällen und sie Situation dadurch zu entschärfen. Die Linde steht noch immer, doch eine Lösung des Dilemmas zwischen Verkehr und Einkehr ist noch nicht in Sicht. Auch insofern ist das „Scheffestöhlche“ auch heute noch ein signifikantes „Zeichen der Zeit“!
Wie es war:
Fotos aus
Bürger (1992, S.653-654):
Quellen:
Bürger, Udo (1992/ 2. überarb. und erg. Aufl. 2020) Chronik Niederzissen. Geschichtliches der Brohltal-Gemeinde in Wort und Bild. Niederzissen: Gemeinde Niederzissen (Herausgeberin), S.653-654
Fuhrmann, W. (2015) „Unsere alte Dorflinde muss bleiben“, (https://www.blick-aktuell.de/Bad-Breisig/Unsere-alte-Dorflindemuss-bleiben-171316.htm)
Reinhardt, Rudolf (2019) Der „Dorf-Schandarm“ – eine ausgestorbene Spezies. Vom früheren Polizeiwesen, zwei liebenswerten Originalen und einer Fußstreife am 1. April – Die „Gendarmerie“ war die „Landpolizei“. Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2019, S.241-244